Mensch ärgere Dich nicht

Als ein Brettspiel in Deutschland populär wurde. Zum 150. Geburtstag von Josef Friedrich Schmidt

Gastbeitrag von Peter Downes

Josef Friedrich Schmidt versuchte sich in verschiedenen Branchen, aber erst mit der Entwicklung des Brettspiels «Mensch ärgere Dich nicht» gelang ihm nach dem Ersten Weltkrieg der Durchbruch zum erfolgreichen Unternehmer. Das Spiel ist bis heute eines der bekanntesten Brettspiele Deutschlands und gehörte über Jahrzehnte zum Grundinventar vieler deutscher Haushalte.

Vom Lebensmittelhändler zum Spielefabrikanten

Josef Friedrich Schmidt kam am 24.11.1871 in Amberg, in der Oberpfalz, zur Welt. Sein Vater gleichen Namens war Geometer (Landvermesser), seine Mutter war Luise, geb. Müller. Nach seiner Schulzeit trat Josef Friedrich Schmidt eine kaufmännische Ausbildung an und war dann über mehrere Jahre als abhängiger Beschäftigter tätig bis er 1901 sich mit einem Handelsgeschäft für Lebensmittel in München selbständig machte. Er versuchte sich dann noch in verschiedenen Branchen. So befasste er sich mit der Herstellung von «chemischen Bedarfsartikeln», dann von Schuhen mit Holzsohlen, wechselte ab 1904 kurzzeitig in die Branche der Hoteliers, als er in Kiefersfelden ein Hotel führte, danach handelte er mit Wein und Spirituosen und schließlich mit Eisenwaren.

Um 1907 bastelte er in seiner Wohnküche für seine drei Söhne ein Spiel aus einem verbeulten Hutkarton und schnitzte aus Holzklötzchen Figuren dazu; er nannte es «Mensch ärgere Dich nicht». Dabei griff er auf Vorläufer aus dem 19. Jahrhundert zurück – etwa «Eile mit Weile» oder «Ludo», letzteres kannte er selbst aus seiner Kindheit -, die aber alle auf den Grundprinzipien des alten indischen Nationalspiels «Chaupad», bzw. «Pachisi» zurückgehen. Indem Schmidt die Regeln vereinfachte und das Spiel auf einen schlichten Lauf um das Kreuz des Spielplans reduzierte und zugleich ein möglichst häufiges Schlagen von Figuren erzeugte, schaffte er ein dynamisches Familienspiel. Seine genialste Neuerung am Spiel war dann aber vor allem die einprägsame Namensgebung.

Da Frau und Kinder sich begeistert vom Spiel zeigten, begann Schmidt auch für Freunde und Bekannte Spielsets anzufertigen und ab 1910 begann er in seiner Werkstatt in der Lilienstraße in München eine größere Anzahl von Exemplaren zu erstellen. Es erwies sich dann aber, dass der Verkauf seiner handgefertigten Spielsets schleppend verlief. Dennoch war er aber überzeugt von seinem Konzept und startete ab 1914 mit der Massenproduktion.

Vom «Familienspiel» zum beliebtesten deutschen Brettspiel  

1916 wurde dann die «Spielfabrik J.F. Schmidt» als Gewerbe angemeldet. Als erstes Verlagslogo benutzte er seine Initialen und einem «M», dass für den Standort des Unternehmens München stand: «J.F.S.M.».  Zunächst aber saß der Jungunternehmer Schmidt auf tausenden von unverkäuflichen roten Pappkartons fest und ihm drohte die nun Pleite. Als werbewirksam erwies sich dann aber Schmidts kostenlose Abgabe von 3000 «Mensch ärgere Dich nicht»-Spielen an das Deutsche Rote Kreuz für die verwundeten Soldaten in den Lazaretten während des Ersten Weltkriegs. Aus dem Ladenhüter wurde eine Lieblingsbeschäftigung der Verletzten und Gebrechlichen. Eine norddeutsche Rotkreuzschwester bedankte sich 1916 bei Schmidt: «Sie können sich nicht vorstellen, welch große Freude Sie damit den Verwundeten gemacht haben». Die genesenen Soldaten schleppten dann das Spiel bis in die Schützengräben und von dort nahm es nach dem Ende des Krieges den Einzug in die Familien, wo es große Beliebtheit erlangte und die dem Spiel dann den wirtschaftlichen Durchbruch brachte. Neben den aus dem Krieg heimgekehrten Multiplikatoren war auch sein günstiger Preis – ein Spiel-Set kostete damals lediglich 35 Pfennige, damit weniger als ein Pfund Zucker – sicherlich ausschlaggebend für den Erfolg des Spiels. 1920 konnte die Spielefabrik Schmidts im deutschen Sprachraum bereits eine Millionen Spiele absetzen. In kurzer Zeit wurde das Spiel zum Sinnbild deutscher Gemütlichkeit. Dieser Erfolg bildete dann zu einem raschen Ausbau des Firmensortiments. Bald wurden in der «Spielfabrik J.F. Schmidt» auch andere zeittypische Gesellschaftsspiele, Quartette und Spielmagazine (Mühle, Halma, Dame, Schach u.a.m.), sowie Kinderwebstühle, Kaleidofixe und Bauspiele hergestellt.

Schmidts ältester Sohn Franz machte sich 1936 mit einer eigenen Spielfabrik in Nürnberg selbstständig. Dabei übernahm er gegen Lizenzgebühren das gesamte Programm des väterlichen Verlags mit Ausnahmen von «Mensch ärgere Dich nicht» und drei weiteren Artikeln. Dem Vorbild seines Vaters folgend verlegte er seine Spiele unter dem Logo «F.S.N.» (Franz Schmidt Nürnberg).

Während des Zweiten Weltkriegs wurde sowohl das Unternehmen in München wie auch die Spielfabrik von Franz in Nürnberg zerstört. Sie wurden dann aber 1948 als selbstständige Betriebe wieder in München aufgebaut. Franz änderte nun das Logo entsprechend ab in «F.S.M» (Franz Schmidt München) und verwendete als graphisches Logo schließlich die Doppeltürme der Marienkirche (auch als Frauenkirche) bekannt.  Nach dem Tod von Josef Friedrich am 28. September 1948 führte seine Frau die Geschäfte weiter.

Die Nationalsozialisten setzten die Popularität des Spiels der Emotionen für ihre Propagandazwecke ein. Es wurde als «Jugendkriegsspiel» mit einem eisernen Kreuz als Grundfläche zum «Einüben» des Soldatennachwuchses für den Ernstfall eingesetzt. Ziel dieser Version war dann die Eroberung von Paris. Später vereinnahmte auch der real existierende Sozialismus der DDR das Spiel für ihre marxistisch-leninistische Weltsicht in den Wohnstuben der Plattenbauten mit den Plagiaten «Wir werfen raus» und «Mensch, bleib ruhig». Der Kampf gegen den Klassenfeind wurde dann bei der Version «Der Wettlauf um die Welt» noch origineller entfaltet, indem die Felder, die den Osten repräsentierten, mit blauleuchtendem Wasser und grünen Wiesen, sowie Fabriken ohne Schadstoffausstoß prachtvoll als Gegenbild zum Westen – wo unschöne Wolkenkratzer aufragen und Kriegsflugzeuge die Spielfelder übersähen –  dargestellt wurde.

Das Spiel „Mensch ärgere Dich nicht“ wurde im Jahr 2014 100 Jahre alt.

Fusion und Verkauf der Schmidt-Spiele

In den 60er Jahren florierte das Geschäft und so erwarb man auch Lizenzen für viele Spiele aus den USA, darunter «Monopoly», «Risiko», «Cluedo» u.a.m. 1970 fusionierten die beiden Firmen zur «Schmidt Spiel + Freizeit GmbH» mit neuem Sitz in Eiching und Ingolstadt. Franz Tochter Anneliese wurde mit ihrem Mann Dieter Hahne Mitinhaberin des Unternehmens. Das Unternehmen entwickelte sich in den 1980er Jahren zum zweitgrößten Spielehersteller Deutschlands und blieb bis 1997 im Besitz der Nachfahren des Firmengründers, ging dann aber nach einem Konkurs an die Blatz-Gruppe in Berlin über, die aber den Namen «Schmidt Spiele GmbH» bis heute weiterführt. Zu deren beliebtesten Spielen zählt bis heute «Mensch ärgere Dich nicht». Trotz der zahlreichen Kopien und Plagiate, die im Laufe der Zeit auf dem Markt kamen, wurde der Aufstieg von «Mensch ärgere Dich nicht» zum beliebtesten Spiel der Deutschen nicht gefährdet. Bis 2004 konnte man über 70 Millionen verkaufte Exemplare verbuchen. Über mehrere Generationen gehörte das spannende Spiel zur Grundausstattung einer Familie, war so selbstverständlich wie der Kochtopf oder das Bügeleisen. In den 80er Jahren standen in drei von vier westdeutschen Haushalten irgendwo in einem Regal der knallrote Karton mit mies blickenden Herren im dunklen Anzug auf dem Pappdeckel. Jedes zweite Spiel wurde damals bereits exportiert. In Italien wurde es als «Non t’arrabiare» und in Frankreich als «T’en fais pas» Der Name Schmitz und das Logo werden bis heute fortgeführt, so lebt die Erinnerung am «Vater» von «Mensch ärgere Dich nicht» weiter.

Vor der Pandemie waren Gesellschaftsspiele ein stets wachsender Markt und Spielabende unter Freunden wurden zur Mode. Brett- oder Gesellschaftsspiele sind in Deutschland vor allem bei Jugendlichen und Erwachsenen beliebt und weniger eine Sache von Kindern. Auch in Altenheimen und Bibliotheken werden Spielenachmittage veranstaltet. Auf Spielmessen und bei der Auszeichnung des «Spiel des Jahres» konkurrieren die Spieleverlage miteinander. 1984 hatte das Schmidt-Spiel «Dampfross» diese begehrte Auszeichnung erlangt.

Ärgern sollte man sich beim Spielen von «Mensch ärgere Dich nicht» dann aber möglichst nicht so sehr, wenn man vom Gegner rausgeschmissen wurde oder am Ende verliert, denn am Ende geht es, wie bei allen Gesellschaftsspiele ja ums Zusammensein, um den Spaß und Unterhaltung beim Spielen.

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Fotozitat oben: Das Spiel inspirierte 1972 sogar zu einem Spielfilm: „Mensch ärgere dich nicht“ mit Georg Thomalla und Uschi Glas.

Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht in Condor I Nr. 4458: Jahrgang 84: 19.Nov. 2021

 

 

 

vor 2 Jahren