Mein erstes Mal mit V.R.

Montage: Beate Klompmaker
Montage: Beate Klompmaker, 2019. Ausschnitt: Jan van Eyck: Die Arnolfini-Hochzeit (1434), National Gallery London

Die sperrige Brille paßt über meine Brille – ein Glück. Man kann auch Dioptrinwerte an einer VR-Brille einstellen, wenn die eigene Brille nicht darunter passt, die Einstellung dauert aber zu lange, sagt man. 6–8 Personen können etwa in einer Stunde in eine virtuellen Welt an einer Virtual-Reality-Station im Museum eintauchen. Auch gibt es eine persönliche Begleiterin, die immer anwesend ist. Richtet man also eine Station ein, sind die zusätzlichen Personalkosten für die Betreuung der Station hoch. Hat das Museum acht Stunden geöffnet ist ein Betreuer bzw. eine Betreuerin für 56 Personen am Tag zuständig.

Ich setze die Brille auf: ich suche Halt. Ich befinde mich jetzt in einem unterirdischen Höhlensystem und gehe vorwärts. Durch das sogenannte Room-Scale-Tracking (HTC Vive) wird meine Position erfasst und ich kann mich im Raum frei bewegen. Eine holografische Karte, die im Raum schwebt gibt mir Orientierung. Größere Abstände überwinde ich mit einem „Teleporter“. Ich selber bin nicht größer als ein Ein-Cent-Stück. Ich ziele mit dem Controller auf die gewünschte Stelle, auf einen Stein oder einen großen weißen Wurm und ziele diesen an. Ich ziele mit einer bogenförmigen hell fließenden Linie: es sieht so aus, als ob ein Mann pinkeln würde, komisch. Der Controller ist gleichzeitig im Dunkeln unter der Erde eine virtuelle Taschenlampe, mit der ich die Umgebung und die Bodenorganismen ausleuchte. Eine Hornmilbe kriecht auf mich zu, dann zieht sie sich zusammen. Ich fühle mich eigentlich ganz wohl.

Doch: Ich weiß nicht, was mich mehr berührt hat. Die Virtuelle Realität mit Hornmilben und Asseln, die mir bis zu den Knien gingen oder das 10 Minuten lange Händchenhalten mit einer unbekannten Frau mit roten Haaren, die mir Halt gab.

Die Frau mit rotem Haar vor rotem Samtvorhang, Foto: B. Klompmaker, 2019

Herausgegeben hat den Film das Senckenbergmuseum für Naturkunde in Görlitz.

Zweite Realität: Als Voyeuristin auf einem schwäbischen Dorfplatz.

Fastnacht bei Tag: Eintauchen in das fastnächtliche Geschehen auf einem schwäbischen Dorfplatz. Mittels 360-Grad-Film (6 Kameras) ist eine Dorfszene gefilmt worden. Jetzt bin ich in der Szenerie drin, mittels einer VR-Brille: Rechts ziehen an mir Männer mit schwarzen Zylinder entlang. Markbesucher auf der anderen Seite reden und schreien. Ich schaue den Menschen ins Gesicht, sie schauen durch mich hindurch und sehen mich nicht. Vor mir der Dorfbrunnen, die Männer reinigen auf dem Rand des Brunnens aus Sandstein Ledergegenstände. Ich schaue nach unten in den Brunnen, der Brunnen, so tief … ich verliere das Gleichgewicht, und bin wieder da, in den UFA-Hallen in Berlin-Tempelhof.

Der Film ist vom Fastnachtsmuseum Narrenschopf in Bad Dürrheim produziert worden. Weitere Informationen: museum4punkt0.

vor 4 Jahren