Am Anfang… Kunst am Bau in der DDR

10.000 Kunst am Bau Kunstwerke in Deutschland hat das Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) inklusive der Kunst in den deutschen Botschaften im Ausland gezählt. Kunst am Bau ist Auftragskunst. Architektur, Kunst, Politik und Stadtgestaltung spielen hier zusammen, das hat in Deutschland eine lange Tradition. Die „Kunst am Bau in der DDR” fehlt größtenteils. Viele Werke sind seit der Einheit Deutschlands noch nicht erfasst, verloren gegangen, sind verfallen, zerstört oder geklaut worden. Viele werden auch einfach übersehen. Fast 40 Jahre lang war Deutschland geteilt. Dreißig Jahre nach der Deutschen Einheit möchte das Symposium den Blick auf die „Kunst am Bau in der DDR und ihre Bedeutung für die Kulturgeschichte Deutschlands lenken. Kunst am Bau war in der DDR Bestandteil der sozialistischen Kulturpolitik und hatte einen hohen Stellenwert. In den 40 Jahren der DDR entstanden Skulpturen, Wandbilder und viele dekorative Bauelemente wie Brunnenanlagen.

Nach einführenden Worten von Prof. Dr. Wulf Herzogenrath, Anne Katrin Bohle, Petra Wesseler und Prof. Dr. Arnold Bartetzky, eröffnete Dr. Thomas Flierl das Symposium mit seinem Vortrag Das sozialistische Gesellschaftsmodell. Stadtplanung, Architektur und Kunst am Bau der DDR. Gleich zu Beginn betonte Flierl, dass die Kunst am Bau-Objekte in Deutschland ein „international einzigartiger Kunst-Bestand“ seien. Er unterbreitete dem Publikum seine Theorie, dass die in der Nachkriegszeit, in der SBZ und späteren DDR, weit verbreitete, temporäre, politische Kunst als Vorbild für die Bildästhetik der frühen Wandbilder gewesen sind. Als Beispiel dienten Flierl Max Lingners Wandbild „Aufbau der Republik“ aus dem Jahr 1952. Danach schilderte Flierl die Zusammenhänge der in der DDR aufgestellten Monumental-Skulpturen in ihrem städtebaulichen Kontext und auch den Umgang mit diesen Objekten in der frühen Nach-Wendezeit. Die Kunst am Bau der DDR der 60er Jahre der DDR war, nach Flierl eher von der „Ankunft im Alltag der Moderne“ geprägt.

Fritz Kuehn, Wandbild aus Aluminiumblech im ehemaligen Staatsratsgebäude Berlin, aktuell EMST. Plakat des Symposiums, Foto: BBR/Cordia Schlegelmilch.

Ob und wie das Thema „Kunst am Bau in der DDR“ das Publikum erreicht und wie es darauf reagiert bleibt spannend. Der Untertitel des Symposiums lautet etwas sperrig „GESELLSCHAFTLICHER AUFTRAG, POLITISCHE FUNKTION, STADTGESTALTERISCHE AUFGABE”. Das schöne, klare Design des Symposium-Plakats Kunst am Bau in der DDR stellt neben der serifenlosen schwarzen Schrift auf weißem Papier das Motiv einer gelben Taube dar. Sie ist einer Wandarbeit von Fritz Kühn (1910-1967) entnommen. Das Ursprungswerk aus dem Jahr 1964 trägt den Titel Die Wirtschaft der DDR unter dem Zeichen des Friedens und hatte im Sitzungssaal des Staatsrates der DDR zugleich die Funktion einer schallabsorbierende „Akustikwand“. In Kühns Relief besitzt die Taube, trotz des schweren Metallmaterials eine Leichtigkeit, wie man sie bei den mit schnellem Strich gemalten Tauben bei Chagall oder Picasso findet. Die Schwiegertochter von Fritz Kühn, Helgard Kühn, freut sich und sagte mir in der Pause: „Diese Abstraktion auf dem Plakat hätte Fritz Kühn sicher gut gefallen.”  Und sie fuhr fort: „Kühn habe sich nie dem Diktat des ‘sozialistischen Realismus‘ gebeugt.” Hier bekam ich eine Antwort, auf eine nicht gestellte Frage. Unausgesprochen steht die Frage vermutlich hinter jedem Kunstwerk der „Kunst am Bau der DDR”: „War in der DDR jeder Künstler, der öffentlich gearbeitet hat, auch gleichzeitig staatsnah?” Kühn war Kunstschmied und Metallbildhauer, hatte mehrere Angestellte und war einer der wenigen, so seine Schwiegertochter, der „mit dem Raum und seiner Akustik umgehen konnten.” Kühn schuf ein Wandrelief aus Aluminiumblechen mit Ätzungen, Bohrungen und Farbaufträgen in der Größe von 6 x 7 m. Er war auch einer der wenigen Bildenden Künstler seiner Zeit, der von beiden deutschen Staaten Aufträge erhielt. Der Sohn Kühns führt heute die Schmiede weiter, auch rekonstruiert er die Figuren der Wand- und Portalgestaltungen seines Vaters. Man findet von Fritz Kühn beispielsweise weitere Kunstwerke am Zeughaus (1964) und der Berliner Stadtbibliothek (1965) im Landtag Hannover (1961).

Der Architekturhistoriker Dr. Roman Hillmann stellte in seinem Vortrag „Ostmoderne. Ein Staat gestaltet die Architektur“ anhand der Großsiedlung Halle-Neustadt architektonische und städtebauliche Konzepte der ehemaligen DDR vor. In Halle-Neustadt wurden die Plattenbautypen P1 und P2 gebaut. Hillmann betonte, dass Architektur nicht „sprechen könne“ und daher für den Staat DDR Ausdruck und Mittel gewesen sei „effektiv und für jeden Menschen gleich“, zu bauen. Nach Hillmann, war die Eintönigkeit der Architektur gewollt. Er sieht jedoch in der Anordnung und Gestaltung der Gebäude keine Monotonie. Hillmann stellte Strukturwände der Künstler Kurt Grohmann und Eberhard Reppolt und Betonformsteine des Architekten Klaus Dietrichhaben in den Vordergrund und thematisierte, das die seriellen Elemente, die in der Architektur bereits angelegt sind, künstlerisch aufgenommen wurden: Eine Serialität nach dem Baukastensystem.

Die Kulturjournalistin Swantje Karich sagte in der Podiumsdiskussion: „Es ist kein Hype, aber das große Interesse an ‘Kunst am Bau in der DDR‘ ist großartig, man würde jetzt anders darüber sprechen.“ So gäbe es ein großes Interesse, vor allem bei Menschen in ihrem Alter. Eine neue Generation, die, so wie sie um die 40 Jahre alt sei, würde anders über die Kunst und der Kunst in der DDR sprechen, als die Vorgängergenerationen. Einerseits gäbe es schon eine nostalgische Verbindung zu der Zeit vor 1989 aber andererseits gäbe es auch eine neue Distanz, die einen neuen Blick auf die Zeit ermöglicht, wo Empfindlichkeiten dann keine große Rolle mehr spielten. Karich: „Es gibt eine Neugierde.” Karich sieht aus ihrer journalistischen Perspektive einen Überdruss am Bauhausjahr, „nun kämen kleinere Themen an die Oberfläche“. Sie sähe eine Entwicklung in den letzten Jahren hin zur „Kunst in der DDR”. „Kunst am Bau” im Kanon der Politik im Westen wie im Osten Deutschlands zu betrachten sei interessant. Karich, die Ihre Kindheit und Jugendzeit in den Betonbauten in Leverkusen verbracht hat sagte: „Diese Architektur, die Betonbauten der 50er-60er Jahre haben mich geprägt.”  Damit wollte sie ausdrücken, dass es auch ideologische Architekturprojekte im Westen gab. 

Kunst-am-Bau. Wandbild von Max Lingner im Hintergrund (Aufbau der Republik”, 1952), Wolfgang Rueppel im Vordergrund (Denkmal zur Erinnerung an den Aufstand des 17. Juni 1953, 2000), Ensemble auf dem Vorplatz an der Leipziger Strasse, Berlin 2016 Foto: B.K.

Eine ‘Synthese‘ von Kunst und Architektur 

hat Dr. Ute Chibidziura (Projektleiterin „Kunst am Bau” des BBR und Initiatorin des Symposiums) in ihrem Vortrag Kunst am Bau in Ostdeutschland vor und nach 1990 am Beispiel der Kunst am Bau des Ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR vorgestellt. Sie befindet sich heute in dem Gebäude die private European School of Management and Technology. Der in den 1960er Jahren errichtete denkmalgeschüte Bau von Roland Korn und Hans-Erich Bogatzky (1962-64) wurde der Hochschule für einen symbolischen Preis im Erbbaurecht überlassen und in den Jahren 2004/2005 zur Nutzung als Hochschule saniert (HG Merz, 2004-6). Bei den Kunstwerken, die hier erhalten blieben, handelt es sich um die im Jahr 1964 entstandenen Werke von Walter Womacka (Aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung), Fritz Kühn (Die Wirtschaft der DDR unter dem Zeichen des Friedens), Günther Brendel (Das Leben in der DDR) und um den Mosaikbrunnen von der Künstlerin Ortrud Lerch, der gerade restauriert wird.

Silke Wagner (Kunstfonds der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden) betont, dass es in der DDR eine Art Hierarchie der Inhalte und Kunstformen gab, vom Wiederaufbau hin zum Städte- und Wohnungsbau. Auch die politische Bedeutung von Kunst am Bau verändert sich, die Kunst in den 80er Jahren wird in der DDR vielfältiger und ideologisch weniger aufgeladen. Bei einzelnen Großprojekten sei dies jedoch nicht der Fall. Für die 50er Jahre gab Wagner zwei renommierte Beispiele: Das Buchenwald-Denkmal (1958) in der Nähe von Weimar, mit einer Bronzeplastik von Fritz Cremer (1906-1993) und das Wandbild am Haus der Ministerien von Max Linger (1888-1959). Das Wandbild trägt den Titel Aufbau der Republik und befindet sich seit 1952/53 am heutigen Bundesministerium der Finanzen in Berlin. Beide Künstler hatten eine künstlerische Ausbildung vor dem Nationalsozialismus genossen und hatten teilweise Wiederstands- und Lagererfahrung. So wurden sie als Künstler in der antifaschistischen Staatsideologie als „passend“ befunden und ausgewählt und Ihnen wurde zugetraut das jeweilige Kunst am Bau-Vorhaben umsetzen zu können. Laut Wagner waren die Künstler nicht vor Formalismusvorwürfen gefeit. Sie betont, dass in den 60er Jahren eine neue Generation von Künstler und Künstlerinnen mit Parteinähe und politischen Ämtern eher Auftrage bekamen. Wagner bemerkte, dass der Einsatz der Künstler abhängig von verschiedenen Faktoren und Hierarchien war. Die Künstler waren von den Vorgaben abhängig, die zu bedienen waren. Sie fanden sich in einer Gemengelage aus Auftragsvergabe, Aushandlungen, Prozeduren, Abhängigkeiten und außenkünstlerischen Argumenten wieder, die in ihre Arbeit einfließen sollten. Künstler sind hier ausführende Mittler. Das Wandbild und die Malerei waren, so Wagner, die Königsdisziplinen des Kunst am Bau in der DDR. Wagner sagte, dass harte ideologische Darstellungen mit Motiven kombiniert wurden, die eine Heiterkeit ausdrückten. Sie stellte heraus, dass Meissner Porzellan bis zu den 60er Jahren ein viel genutztes Material waren, danach eher Keramik, da die Firma Meissen sich vornehmlich um den Export kümmern musste. In den 80er Jahren gab es in der DDR eine „Wandbildermüdung. Wagner: „Man konnte die Verheißungen, insbesondere die sozialistischen Verheißungen nicht mehr sehen.“ Silke Wagner wies darauf hin, dass es noch viele Künstler und Künstlerinnen zu entdecken gibt und dass die Aufarbeitung erst jetzt, 30 Jahre nach Mauerfall beginne. „Es gehe darum Schätze zu heben, vor allem von Frauen, die noch nicht sehr sichtbar sind. So werden die Namen Emilia N. Bayer (geb. 1934, Reliefs am Friedrichstadtpalast, Berlin), Ortraud Lerch und Leonie Wirth (1935–2012, u.a. „Pusteblumenbrunnen in Dresden) an dieser Stelle genannt.

Das Phänomen Kunst-am-Bau in der DDR

Paul Kaiser (Dresdner Institut für Kulturstudien) bezeichnete die „Kunst am Bau in der DDR als Phänomen. Sein Vortrag „Kunst am Bau in der DDR. Auftrag, System und Wandel setzt sich mit Produktionsbedingungen und auch dem „Deutsch-Deutschen Bilderstreit”, in der das ästhetische Feindbild die DDR-Kunst gewesen sei, auseinander. Kaiser betonte, dass man den Begriff „Kunst im Bau differenzierter denken kann, da immer mehr Wandbilder in den Bauten realisiert wurden. Es gab eine Wandlung von „Kunst am Bau zur „Kunst im Bau (die Wandgemälde) und ⌊Anm.:  vermutlich gibt es dann auch den „Kunst als Bau (die Bauten mit Panoramabildern)⌋. Kaiser führt aus, dass Begriffserklärungen vonnöten sind (z.B.  zur „Kunst der Ostmoderne, „Kunst in der DDR, „DDR-Kunst) und er wünscht sich eine versachlichte Perspektive: ein Aufarbeiten der „Kunst am Bau der DDR“ mit einem kontextuellem Verständnis.

Ute Chibidziura stellte dar, dass seit 2007 die „Kunst am Bau vermehrt inventarisiert und digitalisiert wird. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) macht sogar die Werke, die nicht öffentlich zugänglichen sind, online sichtbar und gibt Informationen dazu. Die Datenbank mit Kunst am Bau-Werken des Bundes seit 1950 ist zu finden auf der Webseite: Museum der 1000 Orte.
Im Kontext zahlreicher Neubauten der Ministerien fragte Chibidziura: „Wie geht man mit historische belasteten Bauten um? Welche Kunst ist angemessen im Umgang mit Alt- und Neubauten? Welche Künstler werden beauftragt aus dem Pool der Künstler und Künstlerinnen aus beiden Seiten Deutschlands und den internationalen Künstlern?” Ute Chibidziura machte dies anhand von einigen Beispielen, die unter dem Link Museum der 1000 Orte zu finden sind, deutlich. Der Moderator der Veranstaltung Arnold Bartetzky war beeindruckt von der Vitalität der Kunstproduktion, wie vielschichtig und subtil Kunstwerke sein können, die im staatlichen Auftrag entstehen. Beeindruckend ist hier vor allem, wie divers zeitgenössische, also neue Werke in Korrespondenz mit Kunstwerken im öffentlichen Raum aus der DDR-Zeit stehen und es zu einer Kopplung von Reflexions- und Bildebenen kommt. Ein gelungenes Beispiel, auf das Ute Chibidziura verwies, ist das Kunstwerk von Wolfgang Rüppel Denkmal zur Erinnerung an den Aufstand des 17. Juni 1953 (2000) in Bezug zu dem Wandbild „Aufbau der Republik (1952) nach einem Entwurf des Malers und Grafikers Max Lingner am Detlev-Rohwedder-Haus.

Arnold Bartetzky und Ulrike Wendland. Foto: B. K.

„Es ist zu wenig erhalten geblieben und viele Kunst am Bau-Kunstwerke der DDR sind noch nicht erfasst.“

sagte Dr. Ulrike Wendland, Denkmalschützerin aus Halle (Saale) unter Applaus und informierte über die Kriterien der Denkmalpflege. „Wann ist etwas schützenswert?“ Diese Frage sei der Ausgangspunkt für alle weiteren Diskussionen: sie beginnt mit der Erfassung eines Werkes. Wendland erwähnte die unendlich vielen „Bilderwelten im ländlichen Raum, in den nun viel zu großen Kulturhäusern, in deren Mittelpunkt eine „Überzeugungspraxis“ von Bildern stehe: Ermutigungen, Belobigungen, visionären Bildwelten nach sozialistischen Werten. Der Fotograf Martin Maleschka dokumentiere – aus Eigeninteresse – diese Orte, die noch vergessen sind.

„An erster Stelle steht die Qualität und die Zeugnishaftigkeit des Kunstwerkes und nicht die politische Aussage.“

Wendland hat den Eindruck, dass das Meiste, die große Menge der Kunstproduktion nicht auf erster Ebene politisch war: „Vieles, was im öffentlichen Raum, in den Parks und Schulhöfen stehe, erinnert sie sehr an die Sachen der Umgebung in den Parks während ihrer ‘Westkindheit‘. Ja, da ist dann der sozialistische Mensch – sozusagen schon der Ausblick in eine gute Zeit – wo man dann so gechillt ist, dass man nackt im Park steht und nicht mehr arbeiten muß.“ und sie bringt an: „Ich habe  Schwierigkeiten damit, dass das alles politische Ikonografie ist – ist nicht auch etliches Deko?“ Silke Wagner sieht es ähnlich: „Es geht um die Breite der Dinge, die entstanden sind. Ausstattung der öffentlichen Räume mit Politik, die Programmen folgten, das ist natürlich schon so zu sehen, was nicht heißt, dass einzelne Kunstwerk immer rein ideologisch sind. Dies ist an den Rändern offen, wird beliebig oder lebensnah. Es war ein ideologisches Programm den öffentlichen Raum mit Kunst auszustatten. Das heißt aber nicht, dass jedes Kunstwerk ein über sich hinausweisenden politischen Inhalt trägt.“

„Gibt es eine Entwicklung zu Endideologisierung, zu Deko-Kunst, zu Fußgängerzonen-Kunst in Der Kunst-am-Bau in der DDR?“
fragte der Moderator Bartetzky. Silke Wagner: „Künstler konnten ihre Handschrift einbringen. Das hat mit den Auflösungserscheinungen, mit dem Utopieverlust zu tun. Das Auftragswesen differenzierte sich seht stark aus“. Wagner erläuterte, dass dann plötzlich andere Dinge herein gespielt haben und die Künstler und Künstlerinnen gemacht haben, was ihnen wichtig war. Und sie fügte hinzu: Der „Biss“ von Seiten der staatlichen Abnahmekommission veränderte sich, in den 80er Jahren hätte es im Personalbereich auch Stellen mit pädagogischen Schwerpunkten gegeben, so hätte es sich an dieser Schnittstelle zu einer immer komplexeren Geschichte entwickelt. Wagner betonte zum Schluss, dass sie sich dafür interessiere, warum ein Künstler zu welcher Zeit, unter welchen Zwängen und Wünschen einen Auftrag bekam.

Die Denkmalschützerin Ulrike Wendland ging zurück an den Kern ihrer Tätigkeit: wann ein Gegenstand zu einem denkmalgeschützen Gegenstand gemacht wird. Hier ihr kurzer Einblick:

  • Der Gegenstand, der Denkmal werden soll, muss aus einer abgeschlossenen Epoche stammen
  • Der Gegenstand, der Denkmal werden soll, muß eine besondere Bedeutung haben: „Er muss mehr als seine Geschwister erzählen, z.B. den Kontext seiner Entstehung oder gegebenenfalls den Kontext seiner Rezeption.“
  • Der Vorgang ist wissenschaftlich prüfend. Kriterien stehen in den Denkmalschutzgesetzen der jeweiligen Bundesländer.
  • Wenn baugebundene Kunst eingetragen wird, ist das meistens als Teil eines Gebäudes, als Teil städtebaulicher Bauanlagen, oder separat als Einzelwerk der Fall. Oft ist die Kunst am Bau Teil einer Gesamtanlage, beispielsweise eine Platzgestaltung mit Brunnen oder eine Skulptur in einer Parkanlage.
  • Hauptgattungen bei der Denkmalesystematisierung bei Kunst im Öffentlichen Raum und Kunst am Bau lauten u.a.: Wandbild, Brunnen, Skulptur, Architekturdetail. Weitere Kriterien sind auch Denkmal und Mahnmal. Natürlich gibt es, so Wendland auch Schnittmengen: Wandbilder, die Mahnmal sind und Mahnmale die eine Skulptur sind.
  • Es gibt viel „Kunst“, bei der es Klärungsbedarf gibt. Wendland berichtete, das sich immer wieder die Frage stellt: „Was war die Funktion außer schön und angenehm zu sein?“ Diese Fragen müßte man, so Wendland, in Zukunft in größeren Kontexten einbinden.
  • An erster Stelle steht für Wendland die Qualität und Zeugnishaftigkeit des Gegensandes und nicht die politische Aussage.
  • Gleichwohl ist ihr wichtig zu sagen: Das Denkmalamt hat auch die die Aufgabe zu Kontextualisieren: Entstehungsbedingungen zu erläutern und Bedeutungszuweisungen zu machen. „Politische Botschaften gehen rapide verloren. Wir müssen schnell sein, in der Erfassung und dem Begründen. Mit der Zeugengeneration geht viel Wissen und Kontextualisierung verloren.“
  • Die Frage: Wieviel Kunst am Bau in der DDR ist bereits geschützt? konnte Wendland nicht beantworten. Die Gesamtzahl ist nicht bekannt. Wendland: „Es ist nicht so viel geschützt, wie nötig wäre. Wir sensibilisieren uns erst heute für die Bedeutung.“
  • Wendland beobachtet, dass sich in Deutschland oft keiner für „Kunst im Öffentlichen Raum“ und „Kunst am Bau“ zuständig fühlt, im Gegensatz zum Buchmedium, das umfassender geschützt wird.

Mit der Wiedervereinigung verloren viele DDR-Bauten ihre Funktion; etliche wurden abgebrochen, andere von neuen Nutzern übernommen und häufig verändert. Die zugehörige Kunst wurde teilweise transloziert. Das heißt, Kunst wird aus den Gebäuden genommen und an andere Orte neu installiert. Oft verschwanden die DDR-Kunstwerke mit den Bauten, die einfach abgerissen wurden.

Arnold Bartetzky fasste zusammen: „Der größere Teil dessen, was wir Kunst-im-öffentlichen Raum oder als Kunst-zwischen-den-Bauten in der DDR bezeichnen, ist nicht ideologischer Natur, nicht im engerem Sinne, das sind Kunstwerke die sich irgendwie „schlängeln“ (er bezieht sich hier auf Wendlands Aussage). Die Probleme beim Schutz der Kunst am Bau seien, so Bartetzky, nicht mehr ideologischer Natur. Ideologische Aversionen als Grund für Zerstörung seien eine Ausnahme geworden. Die viel größeren Probleme seien Ignoranz, Vandalismus, Diebstahl (der Metallpreis), der natürliche Verfall und nicht zuletzt, das wir die Dinge, die Kunst am Bau waren nicht bemerken.

Podiumsgespräch: Sighard Gille, Michael Bräuer und Swantje Karich, Sigrid Hofer und Arnold Bartetzky. Foto: B. K.
Podiumsgespräch: Sighard Gille, Michael Bräuer u. Swantje Karich, Sigrid Hofer und Arnold Bartetzky. Foto: B. K.

Michael Bräuer (Architekt und Städteplaner) ist ein Urgestein des Rostocker Städte- und Wohnungsbau, er sagt, dass Rostock ein Vorbildfunktion bezüglich Kunst am Bau in der DDR hatte, was Arnold Bartetzky bestätigt. Bräuer war der letzte Staatssekretär im DDR-Bauministerium. 1992 wurde er Vorsitzender der Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz. Die DDR-Kulturverordnung legte 1950 den Etat für baubezogene Kunst an staatlichen Neu- und Umbauten auf ein bis zwei Prozent der Bausumme fest, sagte er. Kunstwerke sollten die Bauten der Regierung und der Partei, aber auch die volkseigenen Betriebe, Hochschulen und Kulturhäuser ergänzen. Ihnen kam die Funktion zu, politische Inhalte abzubilden und idealisierte Gesellschaftsbilder zu propagieren. Das Geld war manchmal zu knapp: Bräuer berichtete, dass aufwendige Fassadengestaltung durch eine Umverteilung der Gelder erlangt wurde: es wurde kurzerhand an einem halben Quadratmeter der Wohnfläche gespart und von dem Geld eine attraktive Fassadenstruktur geschaffen. Bräuer macht auf einen Film aufmerksam, der ein „vergessenes Kapitel“ deutscher Geschichte dokumentiere: „Der vergessene Schatz“ im MDR. Ein Film von Tom Ehrhard, der angekündigt wird mit dem Text: „An einem geheimen Ort in Brasilia lagert die größte Privatsammlung nonkonformer Kunst aus der DDR. Ihr Sammler, der Diplomat Chagas Freitas, ist der Schlüssel zu einem vergessenen Kapitel deutscher Geschichte.“

Der Künstler Prof. Sighard Gille hat die Deckenmalerei im Hauptfoyer des Gewandhaus Leipzig 1979/1981 realisiert. Von 1973 bis 1976 war Gille Meisterschüler bei Bernhard Heisig an der Deutschen Akademie der Künste in Ost-Berlin. Seit 1993 lehrte er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig als Professor. Das Deckengemälde trägt den Titel „Gesang vom Leben“ und ist als großer Lebenszyklus mit Einzelszenen (Lieder) konzipiert, die typische sozialistische Ikonografie ist hier vordergründig nicht zu finden. Mit einer Fläche von 712 m² gilt die Deckenmalerei als das größte Deckengemälde in Europa. Prof. Dr. Sigrid Hofer (Professorin und Kunsthistorikerin aus Marburg) kennt die Auftragsvergaben und die Aushandlungsprozesse innerhalb Kunst am Bau in der DDR. Jeder Künstler hätte in dem Prozess eine Unterschrift zu leisten, dass man den Auftrag nach sozialistischer Ideologie ausführen wird. Sighard Gille konnte sich nicht mehr daran erinnern, dass er diese Unterschrift geleistet hat. Er hätte gemalt, was er malen wolle. Wille: „Zum Glück fanden während des Malens keine Kontrollen statt“, es war sein Glück, dass der Auftraggeber wenig Zeit hatte, da das Gewandhaus unter baulichem Zeitdruck gebaut wurde. Gille wies darauf hin, dass die größeren Probleme die Orgelbaufirma Schuke gehabt hätte, die ihre Orgel in dem Baustellenschmutz montieren musste. Arnold Bartetzky fügte hinzu, dass es in der DDR eine flächendeckende Absicherung der Künstler gab, wie bei allen Arbeitern in den verschiedenen Bereichen. Gille und Bräuer verneinten dies, Gille hätte zu Zeiten der Kunstmesse in Dresden beispielsweise als Anstreicher gearbeitet. Widersprüchlichkeiten von Zeitzeugenaussagen in Bezug auf Archivmaterial gibt es immer wieder (siehe: Zeitzeugen in der Öffentlichkeit): man muss nur irgendwie mit dieser Ambivalenz umgehen.

Sighard Gille, Michael Bräuer und Swantje Karich. Foto: B. K.
Sighard Gille, Michael Bräuer und Swantje Karich. Foto: B. K.

SYMPOSIUM
KUNST AM BAU IN DER DDR – GESELLSCHAFTLICHER AUFTRAG, POLITISCHE FUNKTION, STADTGESTALTERISCHE AUFGABE

am 24.01.2020 in der Akademie der Künste, Berlin

Begrüßung: Prof. Dr. Wulf Herzogenrath, Akademie der Künste, Berlin
Anne Katrin Bohle, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Petra Wesseler, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

Vorträge:

Dr. Thomas Flierl
Architekturhistoriker und Publizist, Berlin. Thema: Das sozialistische Gesellschaftsmodell. Stadtplanung, Architektur und Kunst am Bau in der DDR

Dr. Roman Hillmann
Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Thema: Ostmoderne. Ein Staat gestaltet die Architektur

Dr. Paul Kaiser
Dresdner Institut für Kulturstudien, Thema: Kunst am Bau in der DDR. Auftrag, System und Wandel

Silke Wagner
Kunstfonds der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Thema: Künstler*innen als Repräsentant*innen des Staates?

Dr. Ulrike Wendland
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale). Thema: Der Umgang mit baubezogener Kunst der DDR nach 1990

Dr. Ute Chibidziura
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Thema: Kunst am Bau in Ostdeutschland vor und nach 1990

Podiumsgespräch:

Michael Bräuer Architekt, Rostock, Prof. Sighard Gille Künstler, Leipzig
Prof. Dr. Sigrid Hofer Kunsthistorikerin, Marburg Swantje Karich Kulturjournalistin, Berlin

Moderation: Prof. Dr. Arnold Bartetzky Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO), Leipzig

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Konzept und Koordination: Dr. Ute Chibidziura, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und Dr. Constanze von Marlin. Eine Publikation zu dem Symposium ist geplant.

Eine Veranstaltung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung
in Kooperation mit der Akademie der Künste, Berlin.

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Bericht und Fotos: B. Klompmaker, 25.01.2020
Herzlichen Dank an Martha Pflug-Grunenberg, die über „Kunst am Bau an Berliner Schulen (1948–1990)“ promoviert.

vor 4 Jahren