„Alle Wiederholung stellt die Form der Unendlichkeit dar, im Enden.” Wenn Finja Bolks sich an die Orgel setzt, dann ist ihre Leidenschaft für Improvisation zu spüren, die sich seit sieben Jahren aufbaut hat. Unterricht hat sie zunächst bei dem Musiker Georg von Weihersberg, der bekannt ist für seine Stummfilmbegleitungen am Klavier oder an der Orgel. Seit drei Jahren spielt Finja Bolks in der KulturKirche Nikodemus in Berlin und erfüllt den Kirchenraum mit neuen Klängen – von erdigen Rhythmen bis singstimmenartige Jazz-Passagen, die dann plötzlich in der Basslinie weiterlaufen – sie entlockt der Orgel faszinierende Klänge. Unterricht hat die 12jährige bei dem Musiker und Komponisten Volker Jaeckel. Finja nutzt keine Orgelbücher, keine Noten, sondern ein Aufgabenheft, in dem sie sich folgend„es notiert:
Neu: Des-Dur/B-Moll Kadenz.
Pedalübung, Oktaven, Spitze, Hacke, Spitze.
andere Umkehrung, (kl, gr. Terz, kl., gr. Sechste, kl., gr. Septime, Triolen in Oktaven c/d/e/f/g
LB 397 auf Sicherheit üben.
Ihre Improvisationen setzt Finja nicht in ein Notenbild um, sie merkt sich ihre Stücke oder macht manchmal eine Aufnahme als Gedankenstütze, da sich die Stücke auch immer wieder verändern.
Zum Vergleich: 1. Das Stück „Endless“, aufgenommen in der KulturKirche Nikodemus Berlin im Oktober 2019.
2. Dasselbe Stück ‘Endless‘, gespielt am 22.11.2018, 19:00 Uhr, in der St. Matthäus-Kirche, Berlin.
Der Abend stand unter dem Thema des Unendlichen. Ich habe sie an drei Stellen gefunden:
- Innerhalb des Veranstaltungsthemas der Denkerei mit dem Philosophen Bazon Brock, Jacob Burda, Hannes Langbein, Matthias Loerbroks und Joachim von Soosten wurde Jacob Burdas Dissertation „Gute Unendlichkeit – eine theologisch-philosophische Replik auf den Ewigkeitssonntag.“ thematisiert, die mit einigen romantischen Aspekten bei Schlegel aufräumen möchte. Jacob Burdas Sprache und seine Gesten wirkten dabei so Leidenschaftlich-Bewegt, so dass man glatt denken könnte, er hätte mit seinem Thema eine Form von ‘Romanze‘. Die Romantik ging etwa von ca. 1795 bis 1848, in der Malerei (Caspar David Friedrich,Delacroix, Runge) und Musik (z.B. Chopin, Schumann, Mahler, Strauss) ging sie bis ins 20ste Jahrhundert. Ein bekannter Slogan von Novalis aus der Zeit lautet, dass man nur etwas wisse, wenn man es auch ausdrücken bzw. machen kann.
- In der Kirche wurde ein 40m langer vierteiliger farbiger Werkzyklus „Song of the Earth“ von der Künstlerin Jorinde Voigt gezeigt. Die Spuren der Pinselführung und die farbige Leichtigkeit in Voigts großformatigen Aquarellen vermögen einen sensiblen oder offenen Betrachter ‚in Schwebe‘ zu halten.
- In dem erdigen Rhythmus der Jazz-Improvisation von Finja Bolks, der endlos weiterzuspielen wäre. Bazon Brock sagt zu dem Stück:
„Diese Improvisation könnte ja unendlich lang aufgeführt werden und man hätte nicht den Eindruck, dass man zurückgeführt wird auf die Ausgangssituation. In der Form der Wiederholung – das drückt auch die Unendlichkeitsschleife in der Mathematik ja aus – ist die Formel, dass alle Wiederholung die Form der Unendlichkeit darstellt, im Enden.“
Text, Fotos: Beate Klompmaker, Tonaufnahme: Finja Bolks