Es geht darum die digitale Welt mit Kultur zu versorgen

Christian Berg (Heinz Nixdorf MuseumsForum Paderborn), Gerfried Stocker (Ars Electronica, Linz) und Frank von Hagel (Institut für Museumsforschung, Staatliche Museen zu Berlin-PK), Foto: B. Klompmaker

Gerfried Stocker, Geschäftsführer von Ars Electronica in Linz, dem renommierten Museum und Forschungslabor für Wissenschaft, Kunst und Technologie sagt, dass die Zukunft der Museen rosig aussieht – wenn sie denn überleben. Er plädiert dafür einen größeren Blick auf Digitalisierung zu werfen. Er appelliert daran, Denkweisen zu verändern und nicht kurzfristig Maschinen in multimediale Präsentationen oder Virtuelle Realitäten ins Museum zu holen, die dann nicht langfristig genutzt werden. Im Zentrum soll dabei stehen Inhalte besser zu vermitteln und digitale Werkzeuge/Maschinen immer danach zu beurteilen, worin der Mehrwert liegt. Abgeklärt sagt er: „Wir rennen der digitalen Entwicklung immer hinterher.“  Bei digitalen Angeboten in Museen handelt es sich beispielsweise um Interaktive Gilde-Apps, Online-Sammlungen, Virtual-Reality-Touren, Museum-Games, Citizen Science Initiativen und multimediale Präsentationen.

Im Internet gibt es keine Menschen zweiter Klasse

Stocker stellt die Frage, was wir mit der Zeit, die wir im Internet verbringen, tun. 4,37 Stunden verbringt man in Deutschland durchschnittlich im Internet. 90% der jungen Menschen geben an, ihr Handy auf der Toilette zu benutzen, somit hat das Handy auch eine hohe physische Anwesenheit. Sticker traut sich an der Stelle die simple und wichtige Sinnfrage zu stellen: „Ist das gut oder ist das schlecht?“ Die Menschen in sog. Entwicklungsländer nutzen übrigens das Internet viel mehr als die Industrieländer. In Nigeria würden beispielsweise über 50 % der Menschen Internetzugang haben und die tägliche Nutzung viel höher liegen als in Deutschland. Im Internet so behauptet Stocker, gibt es keine Menschen zweiter Klasse. Wir haben allerdings nicht ausreichend an negative Wirkungen gedacht. Und es wurde viel zu spät begonnen die Digitalisierung als kulturelle-, gesellschaftliche- sowie Bildungsaufgabe zu sehen. Man sollte auf Inhalte und Qualität und sekundär auf zahlenmäßiges Wachstum. Deshalb sollten Museen und Kultureinrichtungen diese Qualitätsinhalte liefern.

Die zwei Pole : Realität und simulierte Realitäten (Fakes)

Realität und simulierte Realität gilt es zu erkennen, erst danach ist es möglich sie zu verbinden. Stocker behauptet: „Erst wenn wir mit den Realitäten umgehen können, können wir die Digitalisierung sinnvoll nutzen. Wir benötigen kompetente Gestalter für die Zukunft. Die Bedeutung der Museen in Zukunft kann gesteigert werden.“

 

Einschub: Ob es Menschen zweiter Klasse im Internet gibt? Ich weiß es nicht. Ich denke viele Menschen wissen nicht Fake von Realem zu unterscheiden. Es gibt viele Menschen die auch gerade bei Wahlen auf Fakes hereinfallen. Und auch hier: Wer heute noch einen Fernseher kauft, findet auf der Fernbedienung beispielsweise nur Netflix (ein US-amerikanisches Unternehmen, betreibt kostenpflichtiges Streaming und die Produktion von Filmen und Serien) oder ein Japanisches Unternehmen ist auf einer Taste voreingestellt. Viele Menschen sind nicht fähig die Bedienungsanleitung zu programmieren. Die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender (für Erstere bezahlen wir 17,50 im Monat), die für Vielfalt und mehr Qualität sorgen, sind nicht mehr auf der Bedienungstaste voreingestellt zu finden und sind auch bereits oft nicht leicht zugänglich im Internet zu finden, da Medienmogule dominieren.  Und auch das Internet msste barrierefreier sein in Bezug auf bessere Informationen. Facebook wurde von einem Menschen erfunden und es sind 2,23 Milliarden Menschen, die es nutzen. Medienmogul durchdringen den persönlichen Alltag. Der Anteil von Qualität und Kultur ist gering, obwohl es immer mehr digitale Informationen gibt, die für fast jeden zugänglich sind. Was können wir tun?

Und hier setzt die These von Gerfried Stocker am Ende seines Vortrags an:

„Es geht (im Museum und anderswo) nicht darum die Kultur zu digitalisieren, sondern es geht ausschließlich darum die digitale Welt mit Kultur zu versorgen.“

Mir ist es wichtig zu sagen, dass sichtbare Orte/Plätze im Netz geschaffen werden sollen, wo langfristig Vielfalt und Qualität existiert und auch gefunden wird. (Der aufgesetzte Medienstaatsvertrag in Deutschland versucht dies durch Reglementierung zu erreichen, ob er verifiziert wird ist noch fraglich). Forschungsanträge laufen beispielsweise 2–3 Jahre und oft wird das Wissen, das kurzzeitig im Internet veröffentlicht wird danach wieder abgeschaltet. Deshalb wäre es dringend nötig, eine Plattform zu schaffen, auf der kulturelle Informationen einen Ort eingeräumt wird. Das Internet müßte mehr und langhaltiger mit Kultur versorgt werden gerade im Kontext der Algorithmen, die bestimmen, was man an oberster Stelle im Internet liest und der kurzen Textnachrichten, in der vertiefendes Wissen nicht mehr vorkommt.

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Gerfried Stockers ist Redner der Eröffnung „Digitalwerkstatt Museum, eine Veranstaltung des Projektes museum4punkt0 – einem Verbund aus sieben Kulturinstitutionen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Über Institutionsgrenzen hinweg erproben sie gemeinsam digitale Angebote für neue Arten des Lernens, Erlebens und Partizipierens im Museum.

Die Eröffnung fand im Kulturforum der Staatlichen Museen zu Berlin statt. Neben Stocker sprachen Gero Dimter, Prof. Christina Haak und Prof. Monika Hagedorn-Saupe. Vielen Dank für die dreitätige „Digitalwerkstatt Museum“ vom 14–16 Oktober 2019 in der Ufa-Fabrik in Berlin! Es waren bundesweit etwa 400 Teilnehmer da – die gute, offene Stimmung lag an den Top-Vortragenden, dem guten Essen und den Teilnehmenden selbst. Die Besucher aus Museumsvermittlung, Wissenschaft und Forschung wollen voran gehen und nicht eitel stehen bleiben.

 

Foto: Dr. Christian Berg (Heinz Nixdorf MuseumsForum Paderborn), Gerfried Stocker (Ars Electronica, Linz) und Frank von Hagel (Institut für Museumsforschung, Staatliche Museen zu Berlin-PK) Foto: B. Klompmaker

vor 4 Jahren